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.« Als ich dann allein in dem Bestattungsinstitut erschien – das nichts als ein rückwärtiger Anbau an einem Abschleppunternehmen war –, erklärte der Inhaber entschuldigend: »Im Moment ist sie leider nur im Hinterzimmer.« Ich sah ihn verständnislos an, und er erläuterte: »Sie liegt auf einer Rollbahre.« Ohne nachzudenken, antwortete ich: »Ach, sie hat nie viel Wert auf Formalitäten gelegt«, obwohl ich nicht behaupten konnte, ich hätte gewusst, was sie unter diesen Umständen gewollt oder nicht gewollt hätte.Sie lag in einem kleinen, sauberen Raum mit einem Kreuz an der Wand, tatsächlich auf einer Rollbahre und mit dem Hinterkopf zu mir, was mir beim Eintreten eine unmittelbare Konfrontation von Angesicht zu Angesicht ersparte.Sie wirkte, nun ja, ausgesprochen tot: Die Augen geschlossen, der Mund leicht geöffnet, links etwas mehr als rechts, was genau ihre Art war – in aller Regel hatte sie eine Zigarette im rechten Mundwinkel und sprach aus dem linken, bis die Asche zu gefährlicher Länge anwuchs.Ich versuchte, mir ihren Bewusstseinszustand, wenn man es denn so nennen kann, im Moment des Hinscheidens vorzustellen.Dieser Zustand war einige Wochen nach ihrer Verlegung aus dem Krankenhaus in ein Pflegeheim eingetreten.Da war sie schon mehr oder weniger dement, eine Demenz, die wechselnde Formen annahm: Einmal wähnte sie, noch alles unter Kontrolle zu haben, und stauchte die Schwestern unablässig wegen imaginärer Fehler zusammen; dann wieder gestand sie sich ihre Hilflosigkeit ein, wurde wieder zum Kind, alle ihre verstorbenen Angehörigen waren noch am Leben, und die letzte Bemerkung ihrer Mutter oder Großmutter war von höchstem Belang.Vor ihrer Demenz hatte ich mich oft dabei ertappt, dass ich während ihrer solipsistischen Monologe einfach abschaltete; dann wurde meine Mutter plötzlich auf schmerzliche Weise interessant.Ich fragte mich ständig, wo das alles herkam und wie das Gehirn diese falsche Realität zustande brachte.Auch konnte ich es ihr jetzt nicht mehr übel nehmen, dass sie nur über sich selbst reden wollte.Man sagte mir, im Moment ihres Todes seien zwei Schwestern bei ihr gewesen, die sie eben auf die andere Seite drehen wollten, und da sei sie einfach »verschieden«.Ich stelle mir gern vor – weil es typisch für sie gewesen wäre, und ein Mensch sollte so sterben, wie er gelebt hat –, dass ihr letzter Gedanke ihr selbst galt und etwas in der Art war wie: »Na los, bring es hinter dich.« Aber das ist eine sentimentale Vorstellung – was sie sich gewünscht hätte (besser gesagt, was ich mir für sie gewünscht hätte) –, und wenn sie überhaupt etwas dachte, bildete sie sich vielleicht ein, sie sei wieder ein fieberndes Kind und werde von zwei längst verstorbenen Verwandten auf die andere Seite gedreht.Im Bestattungsinstitut berührte ich nun mehrmals ihre Wange und gab ihr dann einen Kuss auf den Haaransatz.War sie so kalt, weil sie in einer Kühlkammer gelegen hatte, oder sind Tote von Natur aus so kalt? Und nein, sie sah nicht entsetzlich aus.Sie war nicht überschminkt, und es hätte sie gefreut, dass ihre Haare glaubwürdig zurechtgemacht waren (»Natürlich färbe ich sie nicht«, hatte sie einmal vor der Frau meines Bruders geprahlt.»Das ist alles Natur.«).Der Wunsch, sie tot zu sehen, entsprang, das muss ich zugeben, eher schriftstellerischer Neugier als kindlichem Gefühl; doch nach all meiner verzweifelten Wut über sie musste auch anständig Abschied genommen werden.»Gut gemacht, Ma«, sagte ich leise zu ihr.Sie hatte das Sterben in der Tat »besser« bewältigt als mein Vater.Er hatte mehrere Schlaganfälle erlitten und dann über Jahre hinweg abgebaut; sie hatte den Weg vom ersten Anfall bis zum Tod alles in allem zügiger und schneller zurückgelegt.Als ich im Pflegeheim (heutzutage heißt das »Seniorenresidenz« – ein Ausdruck, bei dem ich mich immer frage, wie Pflegefälle wohl »residieren« können) die Tasche mit ihren Kleidern abholte, fand ich sie unerwartet schwer
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