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.Wenig später heulte der Motor eines Motorrads auf.Die verunsicherte Brünette, die den kurzen Streit der Kontrahenten wortlos verfolgt hatte, knüpfte die oberen Knöpfe ihrer fliederfarbenen Bluse wieder zu und sah Paul eingeschüchtert an.Dieser schluckte den Ärger hinunter und raffte sich zu einem Lächeln auf.»Nichts für ungut«, sagte er.»Eigentlich bin ich gekommen, um Ihnen abzusagen.Bär lag nicht ganz falsch damit, dass ich das Kalenderprojekt sausen lassen wollte.Aber wenn ich daran denke, dass dann ein anderer die Sache verhunzt, mache ich lieber selbst weiter.«»Muss.- äh, soll ich mich denn nun ausziehen oder nicht?«, fragte die junge Frau mit dünner Stimme.Paul schmunzelte.»Nein.Wenn, dann nur ein ganz kleines bisschen.Aber das hat Zeit.Zunächst erzähle ich Ihnen etwas über meine übliche Arbeitsweise, dann gestalten wir gemeinsam ein geeignetes Motiv.«Aus der zur Auflockerung vorgesehenen Unterhaltung mit Martina, wie sie hieß, entwickelte sich ein ernsthaftes Gespräch, das sehr bald um Frieda kreiste.Denn natürlich wusste auch Martina vom gewaltsamen Tod des anderen Kalendermodells, das sie noch dazu gut gekannt hatte.Martina redete sehr einfühlsam über ihre tote Freundin, schilderte sie als freundlich und zuverlässig.»Frieda war eine echte Bruns«, erzählte Martina.»Eine Familie, die schon ewig hier lebt.Alteingesessen sagt man dazu, ja? Sie hat sich manchmal darüber aufgeregt, dass ihr Vater so streng war, aber er musste für sie und ihren Bruder ja allein sorgen.Ihre Mama ist schon vor Jahren gestorben.« Ihre Blicke schweiften in die Ferne, als sie hinzufügte: »Frieda hat das nicht gepasst.Sie wollte ihr eigenes Ding durchziehen und hat ihren Vater oft vor den Kopf gestoßen.Aber wenn es darauf ankam, stand sie zu ihrer Familie.«Paul kam eine Frage in den Sinn: »Was glauben Sie: Hätte Frieda für den Kalender Modell gestanden, wenn Axel Bär der Fotograf gewesen wäre?«Martina überlegte einen Moment.»Schwer zu sagen.Um ihrem Vater mal eins auszuwischen, vielleicht.Anderseits.«»Andererseits ?«Ihre Wangen färbten sich rosa, als Martina erklärte: »Das wissen Sie wohl gar nicht? Bär hatte sich schon vor Ihnen für die Kalenderbilder beworben.Er ist aber beim Verband abgeblitzt, und ich habe gehört, dass Frieda eine von denen gewesen ist, die gegen ihn geredet hatten.«»Wie das?«, wollte Paul wissen.»So genau kann ich das gar nicht sagen.Ihr haben die Bilder von Bär wohl nicht gepasst.«»Kannte sie denn welche davon?«, wunderte sich Paul.»Ich weiß nicht.Vielleicht von seiner Website.Ich habe jedenfalls mal mitbekommen, wie sie gesagt hat, dass Bär einen schlechten Ruf hat und ihr Freund auch ganz und gar gegen ihn wäre.«»Frieda hatte einen Freund?«, frage Paul interessiert.Martina wich aus.»Ja, aber erst seit Kurzem.Ich kenne den Typ nicht, aber er soll ziemlich krasse Ansichten haben.Wie sagt ihr dazu? Konservativ, ja?«»Können Sie etwas konkreter werden?«»Nee, keine Ahnung, alles nur Gerede, so dicke war ich mit Frieda ja auch nicht.«»Wie heißt denn dieser Freund? Ist es auch einer aus der Landjugend?«Martina lachte und wirkte das erste Mal während ihrer Unterhaltung gelöst.»Landjugend? Was für ein Wort? Das Knoblauchsland liegt doch mitten in der Stadt! Aber egal.Ich kenne Friedas Freund nicht.Das war keiner von den Üblichen.Sie hat ein großes Geheimnis um ihn gemacht.Wahrscheinlich ist er schon älter.Vielleicht verheiratet.«»So, meinen Sie?« Paul war hellhörig geworden und nahm sich vor, die neue Erkenntnis unverzüglich an Katinka weiterzugeben.»Vielleicht hielt sie auch nur mit seinem Namen hinterm Berg, damit ihr Vater keinen Krach schlug.Denn der hat anderes im Kopf, steht ziemlich unter Druck.Deuerlein rückt ihm mit seinen Gewächshäusern auf die Pelle.Tja, Bruns hat wohl ziemlich zu kämpfen mit seinem Betrieb, weil er nicht modernisiert.Aber keine Ahnung, ich kenne mich damit ja nicht so gut aus.«»Deuerlein?«, fragte Paul.»Wer ist denn das nun wieder?«»Gustav Deuerlein.Das ist der mit der meisten Kohle von uns allen.Tomaten und Paprika im großen Stil.Der macht es richtig, hat es bei den Holländern abgeguckt.«»Ein moderner Tomatenbauer also, während Friedas Vater mehr zu den traditionellen Landwirten zählt.Ist es das, was Sie meinen?«»Ja, so kann man das wohl sagen.Jedenfalls ist Deuerlein die große Nummer hier, und Bruns kann kaum noch mithalten.Deswegen gab es auch bei Frieda zu Hause in letzter Zeit oft dicke Luft.Da trieb sie sich lieber anderswo herum.Ist ja auch verständlich, irgendwie.Ich hätte auch keinen Bock auf Dauerstress daheim.«Paul schwirrte der Kopf von diesen zahlreichen, aber leider recht zusammenhangslosen Informationsbrocken.Daher fokussierte er seine Eindrücke vorerst auf die eine Erkenntnis: dass Frieda einen Freund gehabt hatte, dessen Identität aus unbekannten Gründen geheim gehalten worden war.5Zu Hause, in seiner Atelierwohnung am Weinmarkt, musste Paul feststellen, dass in seinem Kühlschrank gähnende Leere herrschte.Dabei plagte ihn gerade jetzt ein Bärenhunger.Also zog er seine Schuhe gleich wieder an, um hinüber auf den Hauptmarkt zu gehen und einzukaufen.Das Klingeln des Telefons bremste ihn aus, als er die Türklinke schon in der Hand hielt.Abrupt machte er kehrt und rannte zur Fensterbank, wo das Handteil meistens lag.»Ja, bitte?«, rief er kurzatmig in den Apparat.»Hast du die Kalendersache abgesagt?«Obwohl sie ihren Namen nicht genannt hatte, wusste Paul auch so, mit wem er sprach: »Nicht ganz«, sagte er.»Was denn nun? Ja oder nein?«»Rufst du vom Gericht aus an, Katinka?«»Weich nicht aus, Paul.Du wolltest den Auftrag doch zurückgeben.Warum hast du dich anders entschieden?«»Glaub mir, Kati, ich war dort, um den Job zu kündigen.Aber dann tauchte dieser unsägliche Axel Bär auf.Du weißt: dieser schmierige Arsch- und Tittenfotograf.«»Paul!«»Ist doch wahr! Der Kerl schadet dem gesamten Berufsstand.Ich konnte es nicht verantworten, dass er den Knoblauchslandkalender für seine Zwecke missbraucht.«»Mm.« Katinka schwieg und hatte wohl ein Einsehen.»Dann tu mir wenigstens den Gefallen, dich aus den Ermittlungen um Friedas Tod herauszuhalten.Mach meinetwegen deine Kalenderbilder, aber spiel dich nicht zum Ermittler auf und vor allem: Quetsch die Leute dort nicht aus!«Paul versprach es halbherzig und erkundigte sich, ob es denn schon neue Erkenntnisse gebe.Katinka verneinte.Die Polizei ermittle derzeit in alle Richtungen.Weder sei der genaue Tathergang bekannt noch lägen konkrete Hinweise auf den Täter vor.»Deshalb ist es so wichtig, dass du und diese Mandy noch einmal in euch geht und darüber nachdenkt, ob ihr nicht doch jemanden oder etwas Verdächtiges gesehen habt, als ihr am Tatort wart«, appellierte Katinka an Pauls Erinnerungsvermögen.»Nein, leider nichts«, meinte Paul und fragte: »Wer sollte einen Grund dafür haben, eine Schülerin zu töten? Ob es nicht doch ein Sexualdelikt war.?«»Schnelleisen meint, nein.Es gibt nichts, das darauf hinweist.«Paul schloss die Augen und vergegenwärtigte sich das Bild der Toten am Rand des Sonnenblumenfelds: Sie lag auf dem Acker, als würde sie schlafen.Die Glieder willkürlich von sich gestreckt.Der Kopf, mit dem sie auf einem im Acker verborgenen Felsbrocken aufgeschlagen war, leicht zur Seite geneigt, das lange Haar in alle Richtungen gefallen.Frieda war vollständig bekleidet, bis auf den linken Slipper, den sie offenbar bei ihrem Sturz verloren hatte und der wenige Zentimeter neben ihrem Fuß gelegen hatte.Paul versuchte, seine Erinnerungen auf ihr Gesicht zu bündeln: ein hübsches Mädchengesicht mit glatter Haut, schmaler Nase, geschwungenen Brauen.Er wollte sich noch einmal den leicht überraschten, jedoch nicht angstvollen Ausdruck vergegenwärtigen, der sich im Moment des Todes auf ihr Antlitz gelegt haben musste
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