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.Sie wusste sofort, dass ihrem Bruder Gorlin etwas widerfahren war.Die Bande zwischen ihnen waren auf einmal wieder stark.Sie spürte, wie Gorlin litt.Sie rannte wie blind los und kam an eine Unglücksstelle.„Was ist passiert?", rief sie außer sich.„Wo ist Gorlin?"„Quarein, ein junger Motana, der erst vor zehn Schichten in den Heiligen Berg gekommen war, deutete auf das große Loch vor ihm, aus dem eine Staubwolke aufstieg.Aicha befahl den umstehenden Motana, ihr zu folgen, und stieg in das Loch hinab.Sie mussten nicht lange graben, bis sie auf die Verschütteten stießen.Zwei Motana konnten sie nur noch tot bergen; Gorlin und fünf weitere schwer verletzt.Sie trugen die Überlebenden in den Schlafsaal; die beiden Toten brachten sie in Nischen unter, damit die Veronis sie sich holen konnten, falls ihnen danach war.Aicha begab sich an Gorlins Lager und ließ ihre Finger mit geschlossenen Augen über seinen Körper wandern.Seine Glieder waren nicht gebrochen, obwohl Arme und Beine blutige Abschürfungen aufwiesen.Als sie seine Brust abtastete, zuckte er zusammen, und sie spürte auf ihren Fingerspitzen ein Brennen.Hier irgendwo musste der Herd seiner inneren Verletzungen liegen.Dazu hatte Gorlin am Hinterkopf eine Wunde, und sein Haar war von getrocknetem Blut verfilzt.Er wimmerte, als sie ihn dort berührte.Aber Aicha ließ ihre Hände so lange darauf ruhen, bis er eingeschlafen war und ruhig atmete.Sie hoffte, dass Gorlin keine bleibenden Schäden davontragen würde.Aber sie bangte um sein Leben.An einen Einsatz im Bergwerk war natürlich nicht zu denken.Von den fünf anderen Verwundeten würden zwei diesen Tag nicht überleben.Sie musste verhindern, dass auch Gorlin den Weg in die ewige Nacht ging.Sie wollte nichts unversucht lassen, ihn zu retten.Sie schreckte selbst davor nicht zurück, sich der Macht der Verfemten Gesänge zu bedienen.Sie wollte alle Möglichkeiten nutzen, um Gorlin nicht zu verlieren.Denn ohne ihn war ihr Leben nichts wert.Sie wäre nur noch die Hälfte eines Ganzen.Aicha stimmte den Choral an die Macht der Liebe an.Es benötigte nur eine kurze Anlaufzeit, bis sich ihr weitere Stimmen anschlössen.Schließlich beteiligte sich der gesamte Schlafsaal an diesem Gesang und ließ einen mächtigen Choral aufbranden.Aicha spürte beim Singen, wie etwas in ihr sich regte.Es war eine verborgene Kraft, die gelegentlich erwacht und aus den Tiefen ihres Ichs zutage getreten war.Zuletzt war das geschehen während sie sich dem Choral an den Schutzherrn hingegeben hatte.Damals war sie nahe daran gewesen, eine Schwelle zu überschreiten und in die Verfemten Gesänge zu verfallen - wenn nicht irgendwer ihr Einhalt geboten hätte.Diesmal war sie entschlossen, sich durch nichts daran hindern zu lassen, ihre inneren Kräfte zu wecken und bis zum Äußersten zu gehen.Sie hatte schon seit früher Kindheit gespürt, dass etwas Geheimnisvolles in ihr schlummerte.Das war schon ihrer Mutter nicht entgangen, und diese hatte sie immer wieder ermahnt, sich im Choral nicht gehen zu lassen.Ihre Mutter hatte sie auch gelehrt, Bilder in sich entstehen zu lassen, um sich von schädlichen Einflüssen abzulenken.Dies zu ihrem Eigenschutz und dem anderer.„Du neigst dazu, den Verfemten Gesängen zu verfallen", hatte ihre Mutter gesagt.„Hüte dich davor.Du könntest damit großen Schaden anrichten." Aichas Mutter hatte ihr die Geschichte über eine Jogaga erzählt, die sich mit ihrem wahnsinnigen Gesang selbst verbrannt hatte.Wenn Aicha später unartig war, pflegte ihre Mutter sie mit den Worten zu rügen: „Sei keine Jogaga." Dieser Name hatte in Aicha das Bild eines alten Weibes mit irren Augen und weißen, kranzförmig abstehenden Haaren erweckt.Die Jogaga hatte sie in ihren Träumen verfolgt und sie fast zur Bettnässerin gemacht.Sie wollte keine Jogaga werden.Nein, nein, nur das nicht.Aicha hatte im Laufe der Zeit erkannt, dass der starke Bezug zu ihrem Zwillingsbruder derselben Quelle entsprang, aus der auch ihre Neigung zu den Verfemten Gesängen kam.Darum wollte sie nie wahrhaben, dass dies schlecht und verwerflich sein sollte.Aber die Ermahnungen ihrer Mutter und die Verbote ihres Volkes hatten ihr Angst gemacht.Diese Angst lebte bis heute in ihr.Jetzt sang sie zum Wohl ihres Bruders, daran konnte nichts Schlimmes sein.Sie hielt Gorlins Hand, und obwohl er schlief, spürte sie, wie er im Gleichklang mit dem Gesang vibrierte.Das Timbre der unzähligen Stimmen erfüllte seinen ganzen Körper, und sie hoffte, dass sie auch seine Träume ausfüllten.Träum dich gesund, Bruderherz, dachte sie, während sie gleichzeitig Jopahaim lobpries und den Schutzherrn ihrer Liebe und Zuneigung versicherte, wie auch sie sich seiner Gnade versichern wollte.Gorlins Körper kam allmählich zur Ruhe, sein Atem wurde flach, wie der eines Schlafenden.Ganz gewiss war er nun von seinen Schmerzen befreit.Aicha steigerte sich weiter in ihrem Gesang, erklomm mit ihrer Stimme schwindelnde Höhen.Sie merkte, wie sie die anderen Motana mitriss
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