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.»Ich könnte ja noch verstehen, dass die Menschen uns Einhörner vergessen haben, oder dass sie sich geändert haben und uns jetzt hassen und jedes Einhorn töten wollen, das sie sehen.Aber sie erkennen mich ja nicht einmal, sie sehen mich an und sehen etwas ganz anderes! Wie mögen sie da erst für einander aussehen? Wie sehen da wohl Bäume in ihren Augen aus, oder Häuser, oder wirkliche Pferde, und wie ihre Kinder?«Und manchmal dachte es: ›Wenn die Menschen nicht mehr erkennen, was sie erblicken, dann kann es ja auch noch andere Einhörner geben;’ vielleicht leben sie irgendwo und sind froh darüber, dass sich die Menschen und die Welt verändert hatten, weil die Einhörner verschwunden waren.Und dann zog es wieder weiter auf seiner beschwerlichen Straße, obgleich es jeden Tag ein wenig mehr wünschte, seinen Wald nie verlassen zu haben.Eines Nachmittags flatterte der Schmetterling aus einer Brise und ließ sich auf der Spitze seines Hornes nieder.Er war sammetschwarz, Mit goldenen Punkten auf den Flügeln, und er war so zart wie ein Blütenblatt.Er grüßte mit seinen bebenden Fühlern und tanzte auf dem Horn.»Ich bin ein fahrender Sänger.Wie geht es dir?« Das Einhorn lachte zum ersten Mal auf seiner Wanderung.»Schmetterling, was machst du an so einem windigen Tag im Freien?« fragte es ihn.»Du wirst dich erkälten und lange vor der Zeit sterben.«»Der Tod nimmt dem Menschen, was er gern behielte, und lässt ihm, was er gern verlöre«, erwiderte der Falter.»Blas, Wind, bis dir die Backen platzen! Ich wärme mir die Hände am Feuer des Lebens und schaff’ mir vierfach Erleichterung.« Auf dem Horn sah er aus wie ein samtener Schatten.»Weißt du, wer ich bin, Schmetterling?« fragte das Einhorn voller Hoffnung, und er antwortete: »Bestens! Du handelst mit Fischen.Puppchen, du bist mein Augenstern, ich hab’ dich zum Fressen gern, du bist alt und grau und voller Schlaf, schwindsüchtige Mary Jane.« Er flatterte heftig, um nicht vom Wind davongeweht zu werden; dann sagte er leichthin: »Dein Name ist eine goldene Glocke in meinem Herzen.Ich würde mich in Stücke reißen, wenn ich dich ein einziges Mal bei deinem Namen nennen dürfte!«»Dann sag meinen Namen!« bat das Einhorn.»Wenn du meinen Namen weißt, dann sprich ihn aus!«»Rumpelstilzchen!« rief der Schmetterling fröhlich.»Einen Orden kriegst du nicht!« Er tanzte und torkelte und sang aus Leibeskräften: »Wer wird denn weinen, wenn man auseinandergeht, wenn an der nächsten Ecke schon Schneewittchen steht.In der Nacht, wenn meine Frau erwacht! Jüngelchen, mach’ Feuer an, dass ich meine Federn wärmen kann!« Seine Augen glühten im milchigen Glanz des Hornes.Das Einhorn seufzte und trottete weiter; es war enttäuscht und zugleich belustigt.»Geschieht dir recht«, sagte es, »wie kannst du von einem Schmetterling erwarten, dass er deinen Namen kennt! Sie kennen sich mit Liedern und Gedichten aus und mit allem, was sie so hören.Sie meinen es gut, aber sie bringen alles durcheinander.Und warum auch nicht? Sie sterben ja so bald.«Der Falter gaukelte vor seinen Augen und sang: »Lirumlarum Löffelstiel, schöne Frauen kosten viel! Frohsinn, führ’ mir ein Heer von grimmigen Grillen her.Der Kuckuck und der Kolibri, das sind die Herren Musici! Ich liebe, liebe, liebe dich.aber nach dem Schlussverkauf hört auch unsre Liebe auf! Und aus ihrem Hexenhaus, schaut heut’ Frau von Holle raus! Ich liebeliebeliebedich!« Seine Worte klimperten in des Einhorns Kopf wie fallende Silbermünzen.Er begleitete es, bis es Abend wurde; als die Sonne unterging und der Himmel voll rosiger Fische stand, flog er vom Horn ab und schwebte und schwankte über ihm.»Ich muss den D-Zug noch erwischen«, sagte er höflich.Seine samtigen Flügel waren von einem Netzwerk zarter dunkler Adern durchzogen.»Leb wohl«, sagte das Einhorn.»Ich hoffe, du wirst viele neue Lieder hören.« Das dünkte ihm das Beste, was man einem Schmetterling zum Abschied sagen kann.Anstatt davonzufliegen, flatterte er weiterhin über ihm, in der bläulichen Abendluft wirkte er plötzlich weniger kühn und etwas nervös.»Flieg fort!« drängte das Einhorn.»Es ist schon viel zu kalt für dich.« Der Falter blieb, wo er war, und summte vor sich hin.»Auf seinem Pferde ritt Mazeppa«; stimmte er zerstreut an; und dann sagte er laut und klar: »Einhorn.Lateinisch unicornis, Altfranzösisch Licorne, wörtlich: einhörnig, unus für eins, und cornu das Horn.Ein Fabeltier, das einem Pferd mit einem Horn ähnlich sieht.John Maynard war unser Steuermann, dem keine Frau vertrauen kann.Heinrich, der Wagen bricht!« Er schoss ausgelassen hin und her, und die ersten Leuchtkäfer blinkten erstaunt und entrüstet.Das Einhorn war so überrascht und glücklich, endlich seinen Namen zu hören, dass es die Erwähnung des Pferdes gerne verzieh.»Oh, du kennst mich also!« rief es, und sein entzücktes Schnauben blies den Falter zwanzig Schritte davon.Als er zurückgeflattert kam, flehte das Einhorn: »Schmetterling, wenn du wirklich weißt, wer ich bin, dann sag’ mir, ob du irgendwo meinesgleichen gesehen hast; sag’, wo ich meine Gefährten finden kann.Wo sind sie geblieben?«»Glühwürmchen, Glühwürmchen, glimm’re«, sang er in der Dämmerung.»Wir lagen vor Madagaskar und hatten Rapunzeln an Bord, versoffen unser Oma klein’ Häusel, und wollten nicht mehr fort!« Er setzte sich wieder auf das Horn, und das Einhorn spürte, wie er zitterte.»Bitte«, sagte es, »ich will doch nur wissen, ob es irgendwo in der Welt noch andere Einhörner gibt.Sag’ mir, dass es noch meinesgleichen gibt, und ich glaub’ dir und geh’ zurück in meinen Wald.Ich bin schon so lange in der Fremde und wollte doch so bald daheim sein.«»Mit fünfundsiebzig die Fahrt begann, zurück kam nur ein einziger Mann, ja, ja, der Alkohol! Der Mond, der scheint so helle, die Toten reiten so schnelle!« Plötzlich hielt er inne und sagte mit fremder Stimme: »Nein, nein, hör zu, hör nicht auf mich, hörst du! Du kannst deine Gefährten finden, wenn du tapfer bist.Sie sind vor langer Zeit vom Roten Stier davongetrieben worden, er rannte dicht hinter ihnen her und verwischte mit seinen Hufen ihre Spuren.Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern!« Seine Flügel streiften das Einhorn.»Der Rote Stier?« fragte es.»Wer ist der Rote Stier?« Der Falter fing wieder zu singen an: »Folge mir! Der Rote Stier? Folge mir! Folge mir! Das böse Tier!« Aber dann schüttelte er heftig den Kopf und deklamierte: »Als Kalb war er schon ein riesiges Tier, und seine Hörner so gewaltig wie die des Auerochsen.Und mit diesen Hörnern wird er alle Sünder in den Pfuhl des Verderbens stoßen.Hör, hör zu, hör gut zu!«»Ich hör’ doch zu!« schrie das Einhorn.»Wo sind meine Gefährten, und wer ist der Rote Stier?«Der Schmetterling schoss lachend an seinem Ohr vorüber.»Ich hab’ Albträume, wenn ich an die Erde denke«, sang er.»Hunde bellen und bellen mich an, die Schlangen fauchen und schleichen heran, die Bettler verlassen die Stadt!«Noch einen Augenblick lang tanzte er in der Dämmerung vor ihm her, dann verlor er sich in den violetten Schatten am Wegesrand.»Du oder ich, Motte!« sang er herausfordernd, »Arm in Arm in Arm …« Das letzte, was das Einhorn von ihm sah, war ein schwaches Flattern zwischen den Bäumen, und das konnte eine Täuschung sein, denn die Nacht war jetzt voller Flügel.›Wenigstens hat er mich erkannt‹.dachte es traurig.›Immerhin etwas.‹ Aber dann gab es sich selbst die Antwort: ›Nein, das hat gar nichts zu bedeuten, oder höchstens, dass irgend jemand einmal ein Lied oder ein Gedicht über Einhörner gemacht hat.Aber der Rote Stier? Was hat er damit gemeint? Wahrscheinlich auch nur ein Lied.‹Es zog langsam weiter, und die Nacht brach über ihm herein
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