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.Miss Winters erlaubt mir, die Richtung unseres Gesprächs zu ändern.Sie weiß genau, dass ich mir im Klaren darüber bin, sie nicht täuschen zu können, aber sie ist klug genug, mir dies nicht unter die Nase zu reiben.»Wir sind dem Treidelpfad gefolgt und haben die Schwäne gefüttert.Da gibt es einen schwarzen mit roten Augen.Und dann kam dieses Hausboot angefahren, und der Schwan ist ihm nachgeschwommen und hat dabei einen Krach gemacht wie die Dinosaurier in Jurassic Park.Auf dem Boot waren zwei kleine Mädchen, die kreischend zum Bug gerannt sind.Als der Schwan auf uns zukam, hat Amy alles Brot auf einmal ins Wasser geworfen, und danach sind wir zur Schleuse gegangen, haben uns hingesetzt und eine ganze Weile die Wolken betrachtet.«Miss Winters dreht ihren linken Fuß auf die Seite und reibt die Zehen an einem Sesselbein.Sie scheint das gar nicht zu merken.»Bei Fionas Eltern bin ich früher oft auf das Dach geklettert und habe die Wolken beobachtet … Und ich habe mir Geschichten dazu ausgedacht.Die von Roger war am schönsten.Roger war ein Fisch, der am Himmel schwamm.Er war auch mein Freund, und er verharrte immer über dem Haus und plauderte mit mir, wenn er zu seiner Tante Mabel unterwegs war, und die lebte als Vogel im Wasser.Er hat mir alles Mögliche erzählt, denn er war ein sehr netter, höflicher Fisch …«»Hat er dich jemals gefragt, warum du auf das Dach geklettert bist?«Ich schüttele den Kopf – so leicht mache ich es ihr nicht – und lächele.»Natürlich nicht! Wie gesagt: Er war ein sehr höflicher Fisch.Eine solche Frage hätte er mir nie gestellt.Außerdem habe ich die ganze Zeit seinen Geschichten über seine Tante Mabel gelauscht.« Ich rede immer schneller – so schnell, dass eine Unterbrechung unhöflich wäre.»Einmal hat er mich eingeladen, ihn zum Unterwasserhaus seiner Tante zu begleiten und dort eine Tasse Tee zu trinken …«Ich verstumme, denn so viel wollte ich eigentlich nicht erzählen.Es rührt an all das, was ich in mir verschließe.»Und? Hast du ihn begleitet?«»Natürlich nicht!«, sage ich so verächtlich wie möglich, damit sie nicht merkt, wie tonlos ich plötzlich klinge.»Ich wusste ja nicht, wie man am Himmel schwimmt!« Aber ich habe es damals erwogen.Habe überlegt, ob es einen Versuch wert wäre, ob ich es einfach mal probieren sollte.Denn ansonsten konnte ich wieder nur bis zum allerletzten Moment auf dem Dach bleiben, so lange, bis ich wieder ins Haus musste.Aber ich blieb auf dem Dach.Und schließlich ging ich wieder ins Haus.Das habe ich mir nie ganz vergeben.Die Schuppen bedecken jetzt alle Beine des Drachen und auch den Rücken mit der Reihe kleiner Zacken.Ich habe Klauen in die winzigen Füße des Drachen geschnitzt, indem ich das Werkzeug immer wieder darübergezogen habe.Oben auf dem Kopf habe ich die Ohren herausgearbeitet, sie sind klein, aber lang, liegen spitz zulaufend auf dem Nacken.Der Unterkiefer ist kantig, sowohl an den Ecken als auch weiter hinten auf den Wangen.Die Nüstern verengen sich vorn auf der Schnauze zu schmalen Schlitzen, und das Maul zieht sich bis zu den katzenartigen Augen.Ja, die Augen erinnern mich an die einer Katze – wie eine Träne mit zwei Spitzen, eine zum Ohr hin, eine zur Schnauze.Wenn man eine Katze mit einer Eidechse kreuzen würde, käme dies dabei heraus: jede Linie ein Paradebeispiel für Macht und Arroganz, schön bis an die Grenze zur Grausamkeit.Der Drache sitzt auf meiner Hand, bläulich im Mondschein, und im Hintergrund surrt leise der Kassettenrecorder.Der Zauberer schenkt sein Herz gerade einer Sternschnuppe, um diese in einen Feuerdämon verwandeln zu können.Ich würde mein Herz auch herschenken, um den Drachen zum Leben zu erwecken.Ich würde es bereitwillig hergeben, wenn ich mich dadurch so eng mit etwas so Wunderbarem verbinden könnte.Die Sehnsucht schnürt meine Kehle zu, und als ich schlucke, schmerzen Narbe und Rippen.Was am meisten schmerzt, ist das Gefühl, dass mir etwas fehlt: Ich habe einen Teil von mir verloren; an dieser Stelle, ein paar Zentimeter unterhalb des Herzens, ist mir etwas abhandengekommen.Ich fahre nachts manchmal im Bett auf und krümme mich zusammen, als wollte ich diese Leerstelle beschützen, die Stelle, wo ich am verletzlichsten bin, verletzlicher denn je – auf Grund der Lücke in der Rüstung meines Brustkorbs, dort, wo das gebrochene Rippenstück entfernt wurde.Ich erinnere mich nie an den Albtraum, der mich so unsanft aus dem Schlaf reißt.Kein einziges Mal.Wenn mich der blitzartige Schmerz trifft, gilt meine Aufmerksamkeit immer erst meinen Rippen, weil ich den Schmerz ermessen will, und dann der Notwendigkeit, ruhig zu liegen.Der Mond scheint auf das Fußende des Bettes.Die Decke wird hell und wieder dunkel, hell und wieder dunkel.Ich komme langsam, ganz langsam auf die Knie, rutsche nach vorn, bis ich aus dem Fenster schauen kann.Die Wolken sind finstere, über den Himmel fliehende Fetzen, aber wenn sie am Mond vorbeiziehen, leuchten sie auf – in fahlem Blau, Grün und Gelb – und scheinen sich aufzulösen.Aber nur ganz kurz.Der auf meiner Handfläche ruhende Drache betrachtet mich, ohne mit der Wimper zu zucken.Dann sind alle Wolkenfetzen wie weggeblasen, und nur der Mond steht am leeren Himmel.Zwischen den nadelspitzen Sternen wirkt er sehr schwer.Die Kassette hält knirschend an.In der Stille überrascht mich das Echo eines Liedes: »When you wish upon a star …« Und ich habe auf einmal eine Kinoleinwand vor Augen, sehe, wie eine blau-weiße Fee durch Gepettos halbdunkles Geschäft schwebt.Fiona sitzt links von mir – im Kinosessel –, und sie dreht sich im Dunkeln lächelnd zu mir um, denn sie will mir etwas sagen.Sie hält warm und sanft meine Hand.Und ich weiß, dass wir in einer Nachmittagsvorstellung sind.Nur wir beide.Sie lacht, und sie kauft mir ein Eis, und wir wollen beide nicht nach Hause.Als wir schließlich doch auf die Straße treten, trifft uns das Licht wie ein Schlag, raubt uns das Gefühl der Geborgenheit, das uns im Dunkeln erfüllt hat.»When you wish upon a star,makes not difference who you are …«Das gefällt mir.Beim Beten ist es von Bedeutung, was man ist und wer man ist und so weiter.Denn Gott lauscht jedem Betenden auf eine andere Art.Doch beim Wünschen ist das unwichtig.Ich bin zwar alt genug, um zu wissen, dass weder Wünsche noch Gebete in Erfüllung gehen – entweder klappt es oder eben nicht –, aber der Gedanke, dass es nur um mich, um meinen Wunsch geht, gefällt mir.Also wünsche ich mir etwas.Obwohl ich weiß, dass es dumm und kindisch ist und rein gar nichts ändern wird.Ich wünsche so sehnsüchtig und verzweifelt, dass mein Herz wehtut, denn es ist dunkle Nacht, und niemand kann mich sehen.Warum also keinen Wunsch äußern, wenn mir danach ist? Was sollte mich daran hindern? Nichts spricht dagegen, und obwohl das Wünschen sinnlos ist, kann ich nicht anders.Ich wünsche mir, dass der Drache zum Leben erwacht.Ich wiederhole diesen Wunsch, bis die Wolken zurückkehren, immer dichter und immer dunkler.Bis sie Mond und Sterne wieder verhüllt haben.Dann schalte ich die Kassette ein und lege den Drachen in die Glasflasche, die neben meinem Bett auf dem Tisch steht
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