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.Und ich frage mich, ob ich je eine liebende Mutter sein kann, wo ich doch nicht einmal erkenne, warum mein Kind schreit! Dazu noch der Kommentar meines Mannes über seine Mutter – das männliche Einfühlungsvermögen ist an dieser Stelle nur von der Frage »Hast du deine Tage?« übertroffen.Tief im Inneren schäme ich mich weitere drei Monate dafür, offenbar keinen natürlichen Mutterinstinkt zu besitzen.Haben nicht Kulturpessimisten jeglicher Couleur recht, und unsere neue Muttergeneration ist von Grund auf degeneriert? Die Momente, in denen ich mich nur noch ins Büro zurückwünsche, frisch geduscht, sauber angezogen und vor allem ausgeschlafen, beschäftigt mit einem geistigen Inhalt, steigen proportional zu den Schreiphasen meines Kindes.Doch eines Tages, plötzlich, rund vier Monate nach der Entbindung, ertappe ich mich dabei, wie ich, bei Sonnenschein im Park spazieren gehend, in den Kinderwagen hinein meinen Sohn anstrahle und mich so glücklich und innig mit ihm verbunden fühle wie sonst noch nie mit einem Wesen auf der Welt.Ich hole ihn aus dem Wagen, drücke ihn an mich und beschließe sogleich, mit ihm künftig viel öfter in Baby-Trage-Tüchern unterwegs zu sein.Weitere drei Jahre später – Lukas kann nun schon reden und seine Bedürfnisse ganz alleine bekunden – folgt nach der gefühlsmäßigen »Offenbarung« die geistige.Zufällig fällt mir beim Friseur eine Frauenzeitschrift in die Hand.Ein Artikel gibt einen kurzen Abriss über die Entwicklung von Kleinkindern.»Im vierten Monat«, so heißt es da, »entwickeln Säuglinge ein differenziertes Schreien, das es der Mutter ermöglicht, die Bedürfnisse des Kindes zu unterscheiden.«Ein klassisches Aha-Erlebnis.Meine »mütterliche Natur« scheint also ganz intakt zu sein.Aber warum lassen wir Mütter uns so schnell verunsichern? Und was hat es eigentlich mit der mütterlichen Natur auf sich? Dieses Mal warte ich nicht auf den Zufall eines Aha-Erlebnisses.Ich schlage nach.Und siehe da, schneller als gedacht werde ich zum Thema fündig.Bei den alten Herren Kant, Knigge, Goethe und neuen Forscher-Damen wie Bovenschen, Pusch und Hausen.Demnach hat man unsere »mütterliche Natur« erst vor zweihundert Jahren erfunden.Zuvor wäre niemand auf die Idee gekommen, Frauen für empfindsamer, instinktgesteuerter oder »natürlicher« als Männer zu halten.Weiber waren ein guter oder aber auch schlechter Hausvorstand, fleißige Mägde oder faules Gesinde, redliche Adelige oder verweichlichte Mitregenten – aber von einer »Natur der Frau« war vorher keinesfalls die Rede.Doch in der Aufklärung erfand man unsere »weibliche Natur« – übrigens in allerbester Absicht der damals fortschrittlichsten Köpfe, denn sie wollten buchstäblich ein paar Frauenleben retten.Ähnlich wie Ende des zwanzigsten Jahrhunderts der Abtreibungs-Paragraph 218 des Strafgesetzbuchs für erbitterte Diskussionen sorgte, so war Ende des achtzehnten Jahrhunderts der Paragraph 217 des Strafgesetzbuchs, der Kindsmord-Paragraph, heftig umstritten.Viele Frauen töteten damals ihr Neugeborenes gleich nach der Geburt, um der Schande der ledigen Kindsmutter zu entkommen, und darauf stand Kerker oder Schafott.Goethe ergriff Partei für die »armen Weiber« und schilderte in Faust, wie das arme Gretchen zu so einem Verbrechen »verführt« wurde.Kant und Knigge kamen auf die damals sehr fortschrittliche Idee, uns eine weibliche Natur zuzuschreiben, die manchmal unberechenbar sei, völlig abweichend vom vernunftgesteuerten Mann und also in Ausnahmesituationen wie während oder gleich nach einer Geburt einfach »nicht mehr berechenbar«.Die »Geschlechtercharakteristik«, wie wir sie heute noch kennen, entstand: Der Mann sei hart und stark, die Frau weich und schwach, Männer vernünftiger und Frauen emotionaler, und schließlich besäßen wir Frauen eine »mütterliche Natur«.Die fortschrittlichen Denker erwirkten damit eine Änderung des Paragraphen 217, die Strafen wurden deutlich gesenkt, und bis vor kurzem noch bestand der Gesetzestext in dieser Form.Immer noch herrscht in unseren Köpfen die Vorstellung einer mütterlichen Natur, die alles gibt – und auch undifferenzierte Schreie des Säuglings erkennen würde.Beim zweiten Kind und der damit ohnehin einhergehenden größeren Gelassenheit weiß ich von den ganzen Hintergründen.Es dauert einfach ein wenig, bis ich verstehe, was Eva mit ihrem Schreien ausdrücken will.Nur mein Mann sagt plötzlich einmal wieder: »Warum schreit sie denn so? Und du weißt auch nicht, was los ist? Also meine Mutter hat bei uns immer gewusst, warum wir schreien.« Ich lächle meinen Mann an [ Pobierz całość w formacie PDF ]

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