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.»Nach ihrem Abitur«, fuhr Laura fort, »zog es Felicitas zurück nach Freiburg, sie mochte die Stadt schon immer.Das war vor drei Jahren.Das erste Semester, die ersten Klausuren, alles bestens.Wir sahen uns natürlich nicht mehr so häufig, aber wir haben oft telefoniert, SMS ausgetauscht.Wie das eben so ist.«»Und dann?«»Und dann die Nachricht von ihrem Tod.« Wieder bemühte sich Laura nach Kräften, hart und souverän zu klingen.John fand, sie übertrieb es damit.»Bei dem Unfall«, sprach sie im gleichen Tonfall weiter, »wurde Felicitas von dem Fahrzeug komplett überrollt.Sie war so entstellt, dass man sie kaum wiedererkannte.«»Wo ist das passiert?«»In der Kartäuserstraße.Ziemlich weit oben.«»Gibt es einen besonderen Bezug zu der Straße?«»Außer dass meine Schwester dort starb?«, kam die prompte Gegenfrage, als wäre das hier ein Duell, das mit Worten geführt wurde.»Gibt es«, startete John einen neuen Versuch, »eine ganz bestimmte Verbindung von Felicitas zu dieser Straße? Hat sie sie je erwähnt?«»Nein.« Sie räusperte sich.»Jedenfalls nicht, dass ich wüsste.«»Wo hat deine Schwester gewohnt?«»In einem Studentenwohnheim.Zwei Wochen nach Felicitas’ Beerdigung in Stuttgart fuhr ich mit unserem Vater nach Freiburg, um ihr Zimmer auszuräumen und ihre Sachen nach Hause zu bringen.« Sie holte Luft.»Was uns erwartete, war eine ziemliche Überraschung.Ihr Zimmer in dem Wohnheim: Da lebte eine andere Studentin.Schon seit einer ganzen Weile.Ihre Sachen: einfach nicht mehr da.Der Hausmeister erinnerte sich an Felicitas, jedoch nur vage.Bereits vor mindestens einem Jahr soll sie ausgezogen sein.«»Hast du ihr nie Post geschickt? Oder deine Eltern?«»Doch, das haben wir.Aber an ein Postfach.Felicitas hatte uns erklärt, dass in dem Wohnheim manchmal Post verloren ginge.Die Briefkästen wären oft kaputt, betrunkene Chaoten würden die Namensschilder verschwinden lassen.Und so weiter.«»Hast du dir die Briefkästen angesehen, als du mit deinem Vater da warst?«»Nein«, erwiderte sie nicht ohne Schärfe.»Wir hatten andere Dinge im Kopf.Nach dem Gespräch mit dem Hausmeister fuhren wir zur Universitätsverwaltung.Dort war Felicitas noch immer unter der Adresse in dem Wohnheim gemeldet.Wir gingen zum Deutschen und zum Historischen Seminar.Aber es stellte sich heraus, dass sie seit mindestens einem Jahr keine Veranstaltung besucht, keine Arbeiten abgeliefert, an keiner Arbeitsgruppe teilgenommen hatte.Wir sprachen mit mehreren Professoren und Dozenten.Was schätzt du: Wie viele davon konnten sich an sie erinnern?«John hob die Schultern und verzichtete auf einen Tipp.»Einer.Und der auch nicht gerade lebhaft.« Sie verzog den Mund.»Er wusste noch, dass sie ›überaus attraktiv‹ war, wie er sich ausdrückte.«»Was ist mit den Studiengebühren? Wären sie nicht mehr gezahlt worden, hätte man Felicitas exmatrikuliert.«»Mein Vater hat ihr monatlich einen Betrag auf ihr Girokonto überwiesen, von dem die Gebühren per Dauerauftrag abgingen.Und daran hat sich, soweit ich weiß, nichts geändert.«»Merkwürdig.Nicht mehr in ihrer Wohnung, nicht mehr bei den Seminaren an der Universität.Und du hast davon nichts geahnt?«»Nein.«Er sah Laura an, wie schwer es ihr fiel, sich das eingestehen zu müssen.»Freundinnen? Ein Freund?«, hakte er weiter nach.»Früher in Stuttgart wusste ich immer, für wen sie schwärmte, wen sie traf, welchen Freundinnen sie vertraute.Als sie dann nach Freiburg zurückging, änderte sich das automatisch.Sie nannte den einen oder anderen Vornamen von Studentinnen, mit denen sie sich angefreundet hatte.Aber eigentlich …« Ihre Stimme verlor sich.»Also keinen Freund?«»Ich habe sie oft danach gefragt, habe sie geneckt.Klar.Wie das so üblich ist unter Schwestern.Erfahren habe ich nur von einem gewissen Jan, mit dem sie ein paarmal ausging.Doch das ist lange her, und dieser Jan war bald Geschichte …« Wieder das Schweigen.Es schien ihr peinlich zu sein, nicht mehr über die eigene Schwester sagen zu können.Sie presste die Lippen aufeinander.»Wann hast du sie zuletzt gesehen?«»Am 60.Geburtstag unseres Vaters.« Nach einer kurzen Pause fügte sie hinzu: »Vor weit mehr als einem Jahr.«»Ist dir da etwas an ihr aufgefallen? Etwas, das damals noch nicht, allerdings im Nachhinein irgendwie auffällig erscheint?«»Nein, sie war, wie sie immer war.Blendend gelaunt, schlagfertig, interessiert.Sie freute sich, die Familie wiederzusehen.« Laura schien einen Moment lang nachzudenken.»Gut, sie wirkte ein wenig müde.Das käme vom Stress an der Uni, hat sie damals nur gesagt.«Für einen Moment schien es, als würde Laura die Beherrschung verlieren, die sie sich offensichtlich aufgezwungen hatte.Als würde sie in Tränen ausbrechen.Schnell hatte sie sich jedoch wieder im Griff und starrte John mit festem Blick über den Schreibtisch hinweg an.»Vor weit mehr als einem Jahr«, wiederholte er leise.»Ja.« Sie räusperte sich.»Seitdem nur noch Telefonate.Und auf einmal die Nachricht von ihrem Tod.«»Darf ich dich etwas fragen?«»Bitte«, antwortete sie.Höflich, nicht freundlich.»Warum hat deine Schwester in einem Studentenwohnheim gelebt? Ich kenne die meisten davon in Freiburg, und ich dachte …« Er wog seine Worte ab.»Du meinst«, kam Laura ihm zuvor, »warum ein Wohnheim, obwohl meine Eltern genügend Geld haben, um ihr ein schickes kleines Loft zu mieten oder gleich zu kaufen? Das wolltest du fragen, oder?«»So ähnlich.«»Felicitas wünschte sich das so.Ich weiß noch, wie sie sagte: ›Ich bin eine Studentin.Also werde ich unter einem Dach mit anderen Studenten leben.‹« Laura Winter musterte ihn.»Weitere Fragen?«Sie würde weitaus hübscher wirken, dachte John, wenn sie nicht ganz so schnippisch wäre.»Eine Frage habe ich tatsächlich noch.« Er verschränkte die Arme vor der Brust.»Was soll ich tun? Wie kann ich dir helfen?«»Darf ich zuvor etwas wissen?« Es klang nicht wie eine Frage.»Bitte«, sagte er in genau dem gleichen Ton wie zuvor sie.»Wie lange bist du schon Privatdetektiv?«»Lange genug, um einige Erfolge vorzuweisen«, erwiderte John so schnell, dass er sich selbst überraschte.»Welche Fälle übernimmst du in der Regel?«Jeden, den ich kriegen kann, dachte er.Laut sagte er: »Ach, ich bearbeite die unterschiedlichsten Angelegenheiten.In letzter Zeit ging es um Personenschutz, Betriebsspionage, um Wirtschaftskriminalität ganz allgemein.Nun ja, kleinere Sachen ebenfalls.Eifersüchtige Ehemänner, was auch immer.«Laura sah ihn an, und er hatte das unangenehme Gefühl, dass sie ihn mühelos durchschaute.Es kam ihm vor, als könnte sie in seinem Gesicht lesen, dass er in den vergangenen Wochen und Monaten vor allem für ein Kaufhaus und eine Drogeriekette auf die Jagd nach Ladendieben gegangen war.Dass seine größten Fälle 15-jährige Mädchen betrafen, die Lippenstifte und Lidschatten stibitzt hatten.»Also«, meinte John schließlich.»Was soll ich für dich tun?« Er dachte daran, wie sie zuvor auf der Straße mit sich gerungen hatte – offenbar, ob sie bei ihm klingeln sollte oder nicht.»Du sollst das Leben einer Toten in Erfahrung bringen.« Beinahe unwirsch strich ihre Hand durch die Luft.»Ich will wissen, wie meine Schwester das letzte Jahr ihres Lebens verbracht hat.«»Hast du ein Foto von ihr dabei?«Wortlos legte Laura Winter eine Farbfotografie auf den Tisch
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