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.Sie war zweiunddreißig Jahre alt und sah von weitem aus wie zweiundzwanzig, von nahem wie sechsundzwanzig.Ihr Aufzug war weniger aufreizend als der ihrer Kolleginnen.Sie trug Jeans, weiße Stiefel und einen dünnen Pullover.Ihr Gesicht war eine Spur stärker geschminkt, als es üblich gewesen wäre.Das kastanienrote Haar war aufwendig aufgebürstet und mit Haarspray in Form gebracht.Das kleine schwarze Handtäschchen, das ihr über der Schulter hing, paßte nicht so recht zu dieser Garderobe - war aber nötig, um die finanzielle Beute sowie Utensilien zum Nachschminken und allerlei Handwerkszeug aus Latex zu verstauen.Ich wußte, was Anjas Spezialität war.Und daher wußte ich auch, daß sie nach jedem Freier eine neue Lage Lippenstift benötigte.Sie nahm einen tiefen Zug und lächelte mich an.»Danke«, sagte sie.»Und was das Etablissement angeht: Da tut sich tatsächlich was in Wuppertal.Hast du schon mal was vom ›Großen Boß‹ gehört?«Ich schüttelte den Kopf.Rotlichtstories interessierten mich nicht.Nur wenn sie mit einem meiner Klienten zu tun hatten.»Da gibt es einen, der will in Wuppertal alles an sich reißen.Bumsläden, Spielerei, verbotene Videos, wahrscheinlich auch Rauschgift.«»Woher weißt du das so genau?«»Spricht sich eben so rum.«»Und was bedeutet das für dich?«Anja schnippte die Asche auf die Straße.»Scheiß-Konkurrenz.Wenn sie da was aufmachen, wo Sadomaso und anderes Perverses abläuft, da haben wir hier keine Schnitte mehr.Wo doch sowieso jeder Angst hat, sich was einzufangen.«Wir rauchten eine Weile und betrachteten dabei den friedlichen Fluß.Die Ratte hatte sich verzogen.»In anderen Städten gibt’s schon so eine Art Berufsverband für uns«, sagte sie plötzlich.»Wollt ihr so was auch gründen?«»Warum nicht?« Anja seufzte.»Das heißt… Ach Rott, keine Ahnung.Aber weißt du - wir gehen einem Beruf nach, der ja immerhin … eine gewisse Bedeutung hat.Das älteste Gewerbe der Welt und so.« Plötzlich schien ihr etwas einzufallen.»Und denk dran, daß es schon einen Todesfall gegeben hat.«»Todesfall?«Sie nickte heftig.»Vor zwei Monaten oder so muß es gewesen sein.Da hat so ein Schwein Britta umgelegt - hier am Ufer.Mit dem Auto.Einfach überfahren und abgehauen.«Die Geschichte dämmerte aus meinem Gedächtnis hervor.Jemand hatte am Islandufer eine Prostituierte angefahren und Fahrerflucht begangen.Der Täter wurde nicht gefaßt.Das Mädchen starb kurz danach im Krankenhaus.»Und du glaubst, auch das geht auf die Rechnung von eurem ›Großen Boß‹ oder wie ihr ihn nennt?«»Ganz bestimmt.Der will uns hier weghaben.Oder in seinem eigenen Laden arbeiten lassen.«Wieder entstand eine Pause.Ich beschloß, möglichst raffiniert zum Thema zu kommen.Mir fiel aber kein eleganter Übergang ein.»Apropos arbeiten.«»Ja?«»Eigentlich wollte ich dich um einen Gefallen bitten.«»Schieß los.«»Kannst du mir vielleicht was leihen?«»Klar«, sagte sie ohne zu zögern und öffnete ihr Handtäschchen.»Wieviel brauchst du?«»Bist du sicher, daß du mir was leihen kannst? Ich meine, wo es doch hier so schlecht läuft.«»Ach, ich hatte gerade meinen Stammkunden.Der ist großzügig.Vergiß es.«»Fünfhundert.Du kriegst es so schnell wie möglich zurück.«Sie zählte die Scheine ab, gab mir das Geld und sah mich prüfend an.»Deine Nachforschungen scheinen dich aber auch nicht gerade reich zu machen, was?«»Du sagst es.Aber ich hoffe, daß sich das bald ändert.«»Na ja, mach dir nichts draus.Und entschuldige, daß ich dich mit meinen Problemen genervt habe.Im Grunde geht’s dir ja auch nicht besser.Laß dir Zeit mit dem Zurückzahlen.Ist nicht so dramatisch.«»Danke.«Langsam fuhr ein Auto heran.Es war ein dunkler Wagen mit Remscheider Kennzeichen.»Hau ab, Rott, Kundschaft«, zischte Anja.Ich entfernte mich.Nach ein paar Metern blickte ich mich um.Anja war noch in der Verhandlungsphase.Sie hatte sich gebückt; ihr Kopf steckte im heruntergekurbelten Beifahrerfenster.Gar nicht so einfach mit der Frisur.Auf dem Rückweg die Wupper entlang sah ich am Fluß wieder die bekannte Bewegung.Eine Ratte begleitete mich ein Stückchen.Ich hier oben, sie da unten.5.KapitelAls am nächsten Morgen das Telefon klingelte, war mir schlagartig klar, daß in den Schulen wieder mal große Pause war.Trotzdem ging ich ran.»Rott.«»Ist da Re-mi-gi-us Rott?«»Ja.«Ich wußte, was kam.Derjenige, dem diese Kinderstimme gehörte, verstellte sich schlecht oder hatte gar keine Lust dazu.»Hallo Remigius«, sagte die Stimme fröhlich.»Weißt du was? Ich bin scheiße - und du bist schuld!«Noch bevor das stürmische Gelächter der Kids durch die Leitung dringen konnte, hatte ich aufgelegt.Ich seufzte.Eigentlich hätten mir meine Eltern auch einen normalen Vornamen geben können.Rolf zum Beispiel.Oder Michael.Aber es mußte ausgerechnet Remigius sein.Ich hatte mich in den siebenunddreißig Jahren einigermaßen daran gewöhnt.Manche Zeitgenossen offenbar nicht.Ich sah auf die Digitalanzeige meines Radioweckers.Es war kurz nach halb zehn.Das Telefon klingelte wieder.Ich hob ab - auf einen weiteren Scherzanruf gefaßt.»Hallo?« sagte ich diesmal nur, um eventuelle Feinde zu verwirren.»Detektei Rott?« Es war eine Frauenstimme, diesmal jedoch nicht so sanft wie ein Sahneklacks, sondern eher kratzig und alt.»Am Apparat«, antwortete ich.»Herr Rott persönlich?«»Ganz recht.«»Hier ist Mallberg.«Ich sagte nichts.»Helga Mallberg.Die Mutter«, erklärte die Frau.»Guten Tag, Frau Mallberg.«»Könnten wir uns unterhalten? Ich meine, persönlich.Nicht am Telefon.«»Gern.Möchten Sie hierher in mein Büro kommen oder …«»Es wäre mir lieber bei mir.«Sie nannte eine Adresse in Ronsdorf und bat mich, um halb elf da zu sein.Als ich auflegte, trippelte die Katze um die Ecke.Ich hatte mir angewöhnt, das Bürofenster offenzulassen, und so konnte sie kommen und gehen, wann sie wollte.»Das riecht nach Kundschaft«, sagte ich und kraulte ihr Köpfchen.»Wenn schon nicht die Tochter, dann wenigstens die Mutter.« Dann verließ ich die Wohnung.In der Stadt versorgte ich mich mit der aktuellen Presse.Offenbar hatten weder die Polizei noch die Journalisten das Wochenende über geschlafen.Es gab jetzt sogar eine Theorie: Man tippte auf Selbstmord.Der Express fragte »War es Selbstmord?« in großen Buchstaben auf dem Titel, Bild stellte seine Leserschaft mit der Formulierung »Es war Selbstmord!« vor vollendete Tatsachen, die WZ erklärte sachlich »Selbstmord nicht ausgeschlossen«.Alle drei lieferten auch gleich das Indiz dafür: Es gab einen Abschiedsbrief, von Regina Mallberg selbst verfaßt und unangefochten echt, wie die Polizei verlauten ließ.Aufwendiger Selbstmord, dachte ich, das hätte Regina Mallberg auch leichter haben können [ Pobierz całość w formacie PDF ]

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