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.Wer würde nicht neugierig sein auf das, was im Zustand erlebnishungriger Mattigkeit noch passieren könnte …Doch es waren nicht die Kneipengängerei, die Beobachtungslust und die Kommentierfreude allein, die uns verbanden – jeder wußte vom anderen, daß er schreiben wollte, Gedichte im Falle Leisers, in meinem fürs Radio.Seiner Meinung nach der falsche Weg, die bezahlte, mithin konforme Rundfunkarbeit werde meinen Stil zerstören, ihn gar nicht erst entstehen lassen … Immerhin bringe das Geld, hatte ich erwidert … eine meiner schmutzigen Angewohnheiten, für jede geleistete Tätigkeit auch Bares zu erwarten – diese kurzsichtige Rechnung sollte ein Mann mit Ambitionen besser nicht aufstellen.Leiser hielt eine Bezahlung dichterischer Leistungen für abwegig.Wer wolle denn – und wie überhaupt – die Tarife dafür festlegen, hatte er erklärt, da sei sein Job als Nachtportier im Alsterhof die klarere Lösung.Durch sein Sträuben, Geschriebenes als Handelsware, die Verwandlung eines druckreifen Gedichts in Papiergeld zu akzeptieren, wuchsen ihm seinerzeit die mentalen, inneren Kräfte zu, mit denen ein frei vom ökonomischen Kalkül arbeitender Autor sprachliche Sicherheit und literarische Stärke erlangen konnte – eine Erkenntnis, die mir erst sehr viel später kam.Eine trübe Tasse, dein wortkarger neuer Freund Thomas, hatte Katja kurz und trocken geurteilt.Manchmal wirkt er etwas verlegen, hatte ich ihn verteidigt, Leute bürgerlicher Herkunft verunsichern ihn, er rechnet mit Ablehnung, erst recht bei schönen Frauen …Dann sollte er zu den weniger schönen gehn – die sind empfänglicher, ergiebiger und dankbarer für die geschenkte Aufmerksamkeit.Er sagt in Gesellschaft nicht viel, kann sich dafür aber die Situationen genau einprägen, er legt einen mimetischen Vorrat an, ein Depot für alle Fälle …… ein großer Schweiger, der sich bisher noch jedem Gespräch entzog …… aber doch nur um die Dialoge der anderen wie ein Schwamm einzusaugen und sie bei Bedarf in sein vorgeahntes Werk einzubauen … um einen ganz bestimmten Satz Jahrzehnte danach in einem Roman zu verwenden … einen treffenden Satz, von dessen literarischem Potential sein Urheber nichts ahnt, den er selbst dann nicht wiedererkennen würde, sollte er ihn eines Tages in einem Buch lesen.Der Mann, in dessen Wohnung wir anfangs lebten, hatte bereits ein Buch geschrieben – ein Kunsthistoriker, Professor Reiner, der in seiner Theorie aus dem Zeitgeist heraus Andy Warhol zum großen Marxisten erklärte, was ihm den sofortigen Ruf an die Harvard-Universität und einen Stehplatz im Foyer der New Yorker Factory einbrachte.Sein USA-Aufenthalt sollte noch ein paar Monate dauern.Gerüchtweise hatte Dizzi mit dem Professor und dessen Gattin eine Ehe zu dritt geführt – die nun geschickten Polaroids suggerierten eine andere, enge Beziehung der beiden, er rechts auf dem Foto, sie links, in der Mitte immer der Dritte, der weißhaarige Marxist Andy.Dizzi erteilte mir eine erste begrenzte Berliner Kunstlektion, derzufolge sich Maler in Schöneberg und Charlottenburg betranken, nachmittags ihre angefangenen Bilder ankuckten und sich am liebsten sofort in die USA beamen wollten.Maler wie er, ein Mittdreißiger mit schon etwas weichgezeichnetem Alain-Delon-Appeal, der Bauern, Drachen, Generäle, Pfauen, Bauhaushäuserfronten und Schlingpflanzen aus Atlanten, Lexika und Biologiebüchern abpauste, so daß ein nur durch seine Phantasie begründetes Stillleben auf der Leinwand heranwuchs.Nach einem Monat Arbeit verkaufte er das postsurreale Rätselbild an potente Nachbarn im Haus.Mir gefielen seine schwarzweißen Federzeichnungen besser.Ein banjospielender Fuchs mit kleinem Propeller auf dem Kopf, betitelt »Was hab ich heut wieder für’n Tatter«, oder, auch als Postkarte, »Kalter Kaffee«, eine ländlich gehaltene Szenerie, in der eine angedeutet männliche Kaffeekanne im schwungvollen Tanz auf grüner Weide eine angedeutet weibliche Tasse mit schwarzem Strahl füllt, also Fred Astaire und Ginger Rogers auf den schleswig-holsteinischen Koppeln – ganz schön bunt, aber auf dem Markt 78/79 nicht konkurrenzfähig.Dennoch nahm Dizzi Anlauf für den Sprung über den Atlantik.Was für eine sorglose, leichte Zeit – diese vier, fünf Monate ohne eigene Wohnung.Katja stakste auf Stöckelschuhn, ständig Brian-Ferry-Songs mitträllernd, durchs komfortable Professorenheim, von der schweren wilhelminischen Küche durch den langen Flur bis in ihr, also vorübergehend unser, Zimmer.Auf dem Parkettboden lagen Flokatis, darauf die von ihr verstreuten Sachen, Klamotten, einzelne Bücher, Tüten, Zeitungen, Zeitungsartikel, Decken, Taschen, Fotos, Flugblätter und Kopien von Brinkmann-Referaten, von Frank-O’Hara-Referaten, stellenweise in mehreren Schichten, alles in Griffnähe wie Spielsachen für ein intelligentes Kind, das auf Knien stundenlang kramend herumrutschte
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